life as man
  Testbericht Corvette "C6"
 
Der nachfolgende Testbericht ist nicht aus meiner Feder entstanden. Ich fand ihn aber ganz amüsant geschrieben und daher habe ich ihn auf meiner HP übernommen.

Hier der Testbericht:

Bevor ich mich zu Amerikas schnellstem Cowboystiefel literarisch verausgabe, ein paar Worte in eigener Sache: Nachdem sich einige Ciao-Mitglieder nach der Lektüre meines letzten Testberichts beschwert haben, das ich keinen Langzeit-Erfahrungswerte zum besten gebe, weise ich diesmal ausdrücklich vorab darauf hin.
Also: Ich biete hier lediglich einen umfassenden Test aufgrund einer ausgiebigen Probefahrt, ergänzt mit sorgfältig recherchierten Hintergrundinfos, wie eine Autozeitschrift auch. Nicht mehr und nicht weniger.
Wer das lesen will, gerne. Allen anderen will ich nicht die Zeit stehlen. Sie mögen mich bitte nicht per Kommentar anmosern oder schlecht bewerten, sondern einfach zu lesen aufhören, und zwar genau HIER.

Noch dabei? Wunderbar! Dann kann's ja losgehen...


THE AMERICAN HEARTPUNCH

Was habe ich nur getan, ich verblendeter Idiot? Da sieht man hunderte Action-Filme, in denen mit einem einzigen unbedachten Hebelzug oder Knopfdruck ganze Weltuntergänge verursacht werden - und lernt rein gar nix daraus.

Vor ca. drei Sekunden hab ich so kräftig wie unbedarft meinen rechten Fuß auf das harmlos aussehende Pedal unter ihm gestellt. Und jetzt - tja, jetzt geht um mich herum die Welt unter.
Unter der sündiglangen Haube vor mir wütet ein prähistorisches Untier des Motorenbaus wie ein durchgeknallter Pitbull im Streichelzoo, bringt mit markerschütterndem Gebrüll die Singvögel im Quadratkilometerumkreis zum Verstummen und reißt die Kunststoffkarosse um sich gnadenlos in Richtung
Stratosphäre.

Ich bin überzeugt: Hätte ich Gelegenheit, in den Rückspiegel zu schauen, würde ich sehen, wie die Alleebäume von der Druckwelle herausgerissen und in die Felder geschleudert würden, dicht gefolgt von Asphaltstreifen, die die 285er Hinterreifen aus der Fahrbahn fetzen.
Aber für den Blick zurück ist keine Zeit, ich muss mich konzentrieren, damit ich die Straße treffe. Und außerdem die erste ernstzunehmende Kurve anvisieren, die sich gerade noch am Horizont ankündigte und jetzt, einen Wimpernschlag später, formatfüllend vor der schmalen Sehschlitz der Windschutzscheibe hängt.

Die digitale Tachoanzeige im Head-up-Display stößt in Lichtgeschwindigkeit in immer illegalere Bereiche vor und mein Langzeitgedächtnis hält mir plötzlich ein feuerrotes Warnschild vors innere Auge, auf dem in Großbuchstaben steht: "Corvettes haben ein mieses Fahrwerk".
War's das also? Werde ich mit dem metallicroten Kraftkeil eine tiefe Furche in den Acker reißen und morgen die Schlagzeiten der Regionalzeitungen regieren?

Zu spät für tiefschürfende Gedanken - Palimpalim, die Kurve ist da. Also mit weißer werdenden Knöcheln Maß genommen, den Bogen anvisiert und das Lenkrad, an dem Fliehkräfte und Straßenbelag zerren wie junge Hunde am Spielzeugknochen, eingeschlagen.

Erster Eindruck: Das linke Seitenfenster ist saukalt (meldet meine linke Wange, die gegen das Glas gedrückt wird) Zweiter Eindruck: "Hm, hat ja gar nicht so wehgetan." Die Reifen hören auf zu quietschen, die Kurve verschwindet hinter mir am Horizont und alles ist gut. Nur die Nerven tanzen Samba zu Techno.

Derangiert erreiche ich die nächsten Abzweigung, lenke den wummernden Boliden neben die Straße und kille das Monster unter der Haube per Knopfdruck. Uff. Während ich versuche, den Puls wieder unter Schallgeschwindigkeit zu bekommen, blättere ich mit zitternden Fingern in der Bedienungsanleitung, um das


DATEN

Blatt des motorisierten Monsters genauer in Augenschein zu nehmen. Dessen Lektüre fördert das Begreifen des eben Erlebten:

Leistung: 404 PS/297 KW
Drehmoment: 546 Nm bei 4400 U/min
Beschleunigung 0-100: 4,2 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit: 300 km/h
Zylinder: 8
Hubraum: 5,967 Liter
Maße: 4435 x 1844 x 1246 mm
Reifen: 245/40 ZR 18 vorn, 285/35 ZR 19 hinten
Gewicht: 1491 kg
Zuladung: 254 kg
Kofferraum: 634 Liter
Preis: ca. 61.450 Euronen (Coupé)
Verbrauch (Mix): ca. 13,5 Liter Super auf 100 Kilometer
Tankinhalt: 69 Liter

Es ist wirklich unglaublich: die Corvette C6 wiegt mit nicht mal 1,5 Tonnen ungefähr so viel wie ein gut ausgestatteter Golf. Das ergibt bei 404 PS ein Leistungsgewicht, das einen 911er Porsche suizidgefährdet in seine Spiegelei-Scheinwerfer weinen lässt.

GMs Bezeichnung "Smallblock" für den 6-Liter V8 ist übrigens die Untertreibung des Jahrhunderts. Was um alles in der Welt macht dann ein "Bigblock" beruflich?! Die USS Nimitz über den Atlantik jagen?

Wie auch immer: Weil potente 8-Zylinder seit jeher der wahre "Heartbeat of America" bzw. der Heartpunch der Corvette sind, beginnen wir die Detailbetrachtungen mit dem


TRIEBWERK

Das Herz der aktuellen Corvette trägt das simple Kürzel "LS2" und ist sozusagen das motorische Äquivalent zu einem Schmiedehammer: Simpel konstruiert, aber sehr effizient.

Wo europäische Ingenieure jahrelang an Valvetronic, doppelt variablen Nockenwellen, Turboladern und Zylinderinnenbeleuchtung basteln, nimmt der GM-Konstrukteur einfach 8 Zylinder im Eimerformat, packt auf jeden gerade mal zwei Ventile drauf, schiebt eine Nockenwelle drunter und gut ist es.

Und zwar wirklich gut. Technikbegeisterte mögen ob der Anhäufung konstruktiver Anachronismen die Nase rümpfen, doch das Ergebnis spricht für sich: Der brutale Oldi-Antrieb klatscht 90 Prozent der hochmodernen Konkurrenz-Motoren in Sachen Leistungsausbeute an die Wand - und braucht nicht mal mehr Sprit als sie. Meist sogar weniger. Doch dazu später. Erstmal zum Sound:

Nach dem Druck auf den modernen Startknopf deutet der 8-Ender mit einem dumpfen Brüllen und kraftvollen Schütteln der Karosse kurz an, was er im Ernstfall mit dem niedlichen Plastik-Autochen um sich herum so anstellen kann, wenn er will.

Dann verfällt er in geschmeidiges Leerlaufwummern. Recht dezent alles, allerdings unterlegt von einem voluminösen, tiefen Grollen. Klingt ungefähr so wie das Geräusch, das der Rottweiler ganz tief hinten in seiner Kehle produziert, wenn er sieht, wie sein Lieblings-Briefträger in die Straße einbiegt.

Gibt man zart Gas, grummelt der 8-Ender geschmeidig los, zieht ab Standgas die Fuhre mit der Unaufhaltsamkeit eines Öltankers mit Taifunrückenwind gen Horizont. Das Drehmoment von 546 Nm bei schon 4400 U/min ist echt unglaublich. Man kann es nicht beschreiben, man muss es erleben. Sicherlich könnte man mit einer C6 im Standgas einen 40-Tonner mit blockierten Bremsen abschleppen. Bergauf. Mit Gegenwind.

Drückt man kräftig aufs Pedal, ist es vorbei mit der ruhigen Kraft und Dezenz. Der Brutalo-Motor dreht brachiel hoch, scheint die Hinterachse wie einen Korkenzieher aufdrehen zu wollen und spätestens ab 5000 Umdrehungen brüllt die Corvette wie ein brünftiger Bulle, dem man seine Kuh ausspannen will.

Sensible Passanten gehen da im Straßengraben in Deckung und nervöse Dorfpolizisten melden Erdbeben an die Zentrale. Hochfrisierte, lungenschwache Turbo-Motörchen engagierter Mitstreiter werden zwischen den Zylindern so unangestrengt zermalmt wie Popcorns unter dem Cowboystiefelabsatz.

Mit Corvette-Kavalierstarts könnte man wirklich US-Kampfpiloten für den Katapultstart auf dem Flugzeugträger trainieren: Der Antritt des LS2 untenrum ist mit Abstand das Gnadenloseste, was ich in meiner Testfahrt-Laufbahn bisher erlebt habe.

Und weiter oben geht es auch nicht viel sanfter zur Sache. Die Corvette schiebt unter allen Lebensumständen an wie ein Elefantenbulle auf Anabolika, und Schluss ist erst bei echten 300 Sachen.

All die Kraft und Herrlichkeit verwaltet bei dem Sport-Ami entweder ein angeblich recht ruppiges Sechsgang-Getriebe oder eine nur vierstufige


AUTOMATIK

mit der auch mein Testwagen ausgestattet war. Leider, dachte ich als überzeugter Benzin-Umrührer und "Opamatik"-Verspotter erst. Doch der von GM "Hydra-Matic" getaufte Wandler harmoniert hervorragend mit dem mörderischen Drehmoment, und die vier Fahrstufen langen locker. Wenn man auf der Autobahn bei 240 Vollgas gibt und die Automatik nochmal in den dritten runterschaltet - das hat schon was Dekadentes. Und für den siegverwöhnten M3-Fahrer vor mir etwas Erschreckendes.

Ihn und seinen "flottesten Dreier" trieb ich auf der A95 recht gelangweilt vor mir her, bis bei gut 250 impotentes Begrenzer-Gekecker aus seinen Endrohren klarmachte, dass seine Motorelektronik pädagogisch tätig wurde. Als er widerwillig Platz machte, hörte er kurz ein Brüllen neben sich und Sekundenbruchteile später drohten ihm die V8-Stakkato-Druckwellen aus den vier fetten Endrohren der Corvette die Karosse zu zerlegen.

War seine Lichthupe ein Äquivalent der weißen Flagge, Wut über die Demütigung oder Bewunderung? Nicht zu erkennen, er verschwand zu schnell im Rückspiegel.

Diese Übung lief wie alles andere an der Corvette: Unangestrengt, aber sehr beeindruckend. Spielereien wie Schaltpaddel, SMG oder Steptronic hat der Muskel-Ami nicht nötig, das Gaspedal langt völlig.

Langt es auch, um einen an der Tanke in den Ruin zu stürzen? Zählen wir mal kurz zusammen: Die Corvette hat 6 Liter Hubraum, 8 Zylinder und 4-Gang-Automatik. Das klingt nach regelmäßigen Pokalen von Aral und Esso für "Besondere Verdienste um das Unternehmen".

Bei der Corvette nicht unbedingt, ihr


VERBRAUCH

hält sich bei gelassener Gangart dermaßen im Rahmen, das man erst mal überzeugt ist, dass der Bordcomputer in Gallonen statt Litern rechnet. Tut er aber nicht.

Cruist man mit 130 über die Autobahn, schüttelt der mörderische 8-Ender gelangweilt 2000 Umdrehungen aus der Kurbelwelle und konsumiert dabei weniger als zehn Liter Super auf 100 Kilometer. Kein Scherz!

Kurze Demütigungen von TDI-befeuerten Managern, die gerade frisch agressiviert vom Selbstbewusstsein-Seminar kommen, sind dabei auch noch locker drin, ohne den Schnittverbrauch spürbar zu erhöhen.

Im Pedal-to-the-Metal-Modus oder Stopp-and-Go in der City sieht es natürlich ganz anders aus: Da genehmigt sich der Ami-Sportler mit Wonne weit über 20 Liter. Bei der einigermaßen forcierten Hatz auf der Landstraße verlangt er
gut 16 Liter Super. Für das gebotene Leistungsgewitter recht akzeptabel, finde ich.

Auch in Ordnung geht allen Vorurteilen zum Trotz das


FAHRWERK

Früher ein düsteres Kapitel: Gerade die ersten 4 Generationen der Corvette waren mit der Verwindungssteifigkeit einer gekochten Spagettinudel gesegnet. Die C5 konnte das schon viel besser und bei der C6 hat sich das grundlegend geändert.

Die aktuelle Version liegt verwindungssteif und souverän auf der Straße. Sie fährt sich nicht ganz so direkt und knackig wie europäische Zweisitzer, aber sehr ordentlich. Natürlich sind Feedback und Präzision nicht zu vergleichen mit dem Zauber-Setup eines BMW M6 oder 911, dafür ist das Fahrgefühl in der Vette allerdings echter, nicht so steril und
playstationmäßig.

Auch beim Fahrgestell setzt GM auf - sagen wir wohlwollend - Altbewährtes. Die unorthodoxe Radaufhängung wird Ferrari-Mechanikern wohl Beileid-Tränen auf die Wangen treiben: Der Ami kombiniert doppelte Querlenker und Gasdruckdämpfer mit Querblattfedern (!!!) wie aus der guten alten Postkutschenzeit.

Doch auch hier gilt: Die anachronistische Sache funktioniert, die Kombi aus Corvette und schlechter Straße erinnert nicht an den Ritt auf einem sensiblen Rodeopferd, dass eine Ladung Chinaknaller am Schwanz hängen hat.

Die Corvette gibt Feedback, teilt mit, was Sache bzw. Asphalt ist, ohne anzustrengen und zu beunruhigen. Dieses Easy-Going-Feeling geht allerdings ein bisschen zu Lasten der Präzision und Agilität. Überragende Handlichkeit ist was anderes, ein 5er BMW fühlt sich direkter an, und der ist bekanntlich eine 4-türige Limousine. Und das, obwohl die Zahnstangen-Servolenkung der Corvette mit 2,8 Umdrehungen von Anschlag zu Anschlag angenehm direkt übersetzt ist.

Okay, verglichen mit einer neuen Aktivlenkung im 6er BMW hat sie die Präzision einer Wünschelrute. Aber sie ist nicht nervös und lässt den Boliden zuverlässig in die Kurven schmeißen - siehe Einleitung.

Für diese Übung ist auch die traditionelle Transaxle-Bauweise der Vette vorteilhaft. Motor vorne, Getriebe hinten - das sorgt für eine nahezu optimale Gewichtsverteilung von 51 Prozent auf der Vorder- und 49 auf der Hinterachse. In Kurven verhält sich die Corvette so neutral wie die Schweiz. Auch wenn sich Passanten neben dem Kreisverkehr wegen wimmernder Reifen in den Straßengraben hechten - eigentlich brauchen sie es nicht.

Und geht der Corvette wegen unangemessen forcierter Fahrweise doch mal die Straße aus, sind ja noch die


BREMSEN

da. Böse Beißer im Familienpizza-Format, die die zartgliedrigen
5-Sternfelgen im Chromlook so schön betonen wie ein Minirock lange, schlanke Frauenbeine. Die Stopper sind ein klein wenig stumpf im Ansprechen, aber in der Wirkung sehr brauchbar. Um im Ernstfall die Pupillen innen an die Frontscheibe zu kleben und Herzrhythmusstörungen bei Beifahrern auszulösen, reichen sie locker aus.

Nach kurzer Eingewöhnungsphase war die Dosierung für mich kein Problem mehr, an der Standfestigkeit gab es auch nix zu bemängeln. Insgesamt kein millimetergenaues Skalpell, die Bremsanlage, aber ein scharfes Küchenmesser. Doch das bekommt bekanntlich auch alles durch, nur mit der Präzision hapert es ein ganz klein wenig.

A propos "mangelnde Präzision". Da schaut's im


INNENRAUM

ganz schlecht aus. Oje, oje. Ich kenne sämtliche Corvette-Generationen sehr gut und begreife wirklich nicht, wie diverse Autozeitschriften im Bezug auf das C6-Interieur mit Halbsätzen wie "Sprung nach vorne" und "ganz nah an die europäische Konkurrenz" um sich werfen können. Waren die alle kurzsichtig?

Kurz gesagt: Würde ein Audi- oder BMW-Innenraum-Gestalter so eine Arbeit abliefern, würde er vom Abteilungsleiter sofort standesrechtlich erschossen werden.

Das beige Leder der Sitze wirkte in meinem Testwagen schon nach 12.000 Kilometer so labbrig und dünn wie das eines 20 Jahre alten Lederhandschuhs. Die ebenfalls hellbeigen Ledersitze meines Privat-Fünfers wirken nach der 10-fachen (!!!) Distanz jedenfalls neuer.

Und die silbrige Mittelkonsolen-Verkleidung sieht aus wie ein Tiefziehteil aus der Jogurtbecher-Fabrik, über das der Azubi mal mit der Lackdose drübergehustet hat. Die Digitalanzeige der Klimaautomatik und könnte aus einem 5-Euro-Funkwecker vom Woolworth stammen.

Und die Verarbeitung? Naja. Zwanghafte Optimisten könnten das ständige Knistern und Knacken aus allen Richtungen vielleicht mit dem eines wohlig anheimelnden Kaminfeuers vergleichen...

Aber genug der Schelte. Die Corvette ist für amerikanische Nachlässigkeit bekannt und dafür um Welten billiger als Porsche und co. Und trotz der Detailmängel: Man fühlt sich wohl in ihrem Schoß.

Denn die Bedienung ist exzellent und simpel. Wo man im BMW-Navi minutenlang am I-Drive rumbastelt, hat die Corvette ein simples, aber sehr einfaches Touch-Screen-System, mit dem jeder auf Anhieb zurechtkommt.

Die Integralsitze sind so universell ausgeformt, dass ein Hungerhaken wie ich sich nicht vorkommt wie ein Goldfisch in der leeren Badewanne und auch der Big-King-XXL-Menu-gemästete Ami ohne Schuhlöffel ein- und aussteigen kann. Elektrisch verstellen lässt sich alles dermaßen umfangreich, dass wirklich jeder seinen Platz an der Sonne findet.

Traute Zweisamkeit entsteht beim gemeinsamen Corvette-Ausritt allerdings schwerlich. Die technisch bedingt extra breite Mittelkonsole trennt Fahrer und Beifahrer so rigide voneinander wie die Alpen Österreich von Deutschland. Inniges Kniegefummel? Vergiss es.

Mein Tipp: Den Innenraum in Schwarz bestellen, dann fällt die Verarbeitung nicht so auf. Und möglichst viel nachts fahren. Die Beleuchtung der Hauptinstrumente ist nämlich richtig schön designt.

Aber nicht voller Euphorie das Navi oder Radio einschalten! Dessen grobpixelig-bonbonfarbenes Grafik-Display hat den Charme alter Telespiele. Pacman has returned!

Cool ist die Unprofessionalität schon wieder beim Head-Up-Display: Nicht dezent bernstein- und rotfarben wie z.B. im aktuellen BMW M5 leuchtet es, sondern giftig neongrün wie im F-18 Kampfjet: "Maverick an Iceman. Feindliche Wohnwagen auf 12 Uhr. Mach sie platt! Yeeaah!"

Das Feature an sich hat sich seinen Extra-Punkt allerdings verdient. Also,


HEADS UP!

Die frei schwebende Anzeige über der Straße vor einem wirkt verspielt und kindisch, bietet aber ein echtes Sicherheits-Plus: Bei Warp 2,5 sollte man die Augen schließlich tunlichst auf dem Asphaltband ruhen lassen und nicht nach Zeigerlein am Armaturenbrett schielen.

Und das tut man gern. Ich habe schon nach fünf Minuten die Uhren drunter genau 0,0 beachtet, sondern nur noch die glühenden Zahlen, die vor mir über den Asphalt projiziert wurden. Sogar die G-Forces in Kurven werden angezeigt. Bei ca. 0,8 G Querbeschleunigung habe ich es allerdings gut sein lassen.

Was fehlt? Naja, die Anzeige für die Aktivierung der Sidewinder-Raketen, mit denen man besagte "feindlichen Wohnwagen" vor einem in die Milchstraße blasen könnte, sucht man vergebens. Aber es ist eben nichts perfekt. Auch nicht die Kunststoff-


KAROSSE

der neuesten Corvette-Ausgabe. Ich weiß bis jetzt nicht, ob mir die aktuelle Vette gefällt oder nur beeindruckt. Bei der ersten Live-Begutachtung ist man versucht, den verhassten Großmutter-Standardspruch "Junge, bist du groß geworden" umzudrehen:

"Mann, bist du klein geworden" denkt man sich kopfschüttelnd, wenn das kompakte Kraftpaket vor einem kauert. Wo sind die verwegenen Kurven geblieben, wo die ausladenden Überhänge?

Aus und vorbei: Jetzt kann der GM-Mechaniker nicht mehr 10 Minuten Arbeitszeit abrechnen, nur weil er für seine Arbeit einmal auf die andere Seite der Haube wechseln musste. Und Pamela Anderson fühlt sich beim Anblick der automobilen Kunststoff-Kurven mit ihren eigenen nicht mehr unterlegen.

Klein, knackig und komprimiert ist die Corvette der sexy sechsten Generation, 13 Zentimeter kürzer als der Vorgänger und drei Zentimeter schmaler. Keine verspielten Details mehr, keine Klappscheinwerfer.

Dafür Konzentration aufs Wesentliche, gekonnt mit scharfen Bügelfalten akzentuiert. Und summa summarum ungefähr so lang wie ein 911.

Der Kofferraum ist mit 634 Litern sehr üppig, allerdings braucht man beim Wuchten des Gepäcks über die Heckschürze gute Oberarm-Muckis.

Dass man auf die Schlafaugen-Scheinwerfer verzichtet hat, verleiht der Corvette von vorne tragischerweise ein wenig die Optik eines Sport-Reiskochers wie den Mazda RX-8. Und das schien meine Test-Corvette so zu grämen, dass sie weinte - jedenfalls bei Nebel. Da liefen die Scheinwerfer-Abdeckgläser nämlich von innen an.

Okay, okay, ich will hier nicht mehr über die Verarbeitung motzen. Freuen wir uns lieber über die üppige Serien-

AUSSTATTUNG

der Corvette. Während man bei Porsche für eine ordentliche Extras einen Extra-Kredit aufnehmen muss, heißt es bei der Corvette für 61 große Scheine "One size fits all".

Alles ist drin, alles dran: Netzhaut-verkohlendes Xenonlicht, potente Stereo-Anlage mit CD-Laufwerk, Keyless-Go, 6-fach elektrisch verstellbare Sitze, Leder, Alarmanlage, Reifendruck-Überwachung und, und und. Und, wie unser Fußballkaiser sagen würde: "Das Cabrio ist
auch schon drin."

Fast jedenfalls. Das Targadach lässt sich nämlich in Sekunden herausnehmen und im Kofferraum verstauen und sorgt für zünftiges Oben-Ohne-Feeling.

Wenn's wie an der Wurst-Theke "ein bisserl mehr sein darf", empfiehlt sich das ca. 2750 Euro teure Luxury-Paket. das beinhaltet unter anderem eine klasse Bose Stereo-Anlage, die mit dem Motor um die Wette röhrt, dass es die Seitenscheiben rausdrückt, CD-Wechsler, Memory-Funktion für die vielen Verstellmotörchen und das spacige Head-Up-Display. Ganz wichtig ist natürlich der abblendende Innenspiegel mit Kompass.

Den Weg zum nächsten US-Fastfood-Tempel oder Basecap-Maßfertiger weist jederzeit das Navi mit Betatsch-Screen - wenn man bereit ist, dafür 2250 Euronen hinzulegen. Als Dreingabe befleißigt sich die die Bose-Soundanlage dann einer digitalen Signalverarbeitung und hat eine automatische Lautstärkenanpassung.

Also,


KAUFEN

Oder nicht? Sonderangebot oder doch nur bessere Ludenschleuder? Kommt darauf an, was man will. Den Boxster, den man beim Porsche-Dealer für das gleiche Geld bekommt, zermalmt die Corvette auf der Quartermile jedenfalls. Und exotischer und besser ausgestattet ist sie auch. Dafür nicht so raffiniert.

Wem gefällt das?

Um diese entscheidende Frage zu beantworten, lasst mich den Bogen zum Anfang schließen und mit einem filmischen Vergleich den Charakter des Fahrzeugs einfangen:

Kennt ihr die Szene aus Terminator 2, wo sich der geniale Wissenschaftler mit moderner Zugangselektronik an dem an der Panzertür eines Labors rumfummelt und sie nicht aufbekommt?
Und dann kommt der steirische Killer-Robbi mit dem begrenztem Wortschatz und Granatwerfer über der Schulter rein, schiebt den anderen mit einem geknurrten "Lass mich mal" zur
Seite, legt an und - KAWUMM, ist die Tür offen.

So ist die Corvette. Nicht raffiniert - aber effizient. Nicht kompliziert - aber mit dem Charme der rohen Gewalt. Wenn einem das zusagt und das mangelnde Image wurscht ist, ist sie die richtige Wahl.

Wer darüber die Nase rümpft, sollte lieber in den Hartz 4-Porsche Boxster, den Rentner-Roadster SLK oder dergl. investieren und sich darin auf dem Weg zum Theaterabend von einem leisen Klassik-Konzert befiedeln lassen.

Der Corvette-Pilot öffnet stattdessen den Gashahn und setzt unglaubliche, nie dagewesene, brachiale Verwüstung frei. Ich bin sicher: Auch nach einem halben Jahr Gewöhnung dreht einem eine Vollgasorgie in der Corvette im Hirn zuverlässig das Licht aus.

Nach der Testfahrt jedenfalls neigte ich mein Haupt einen halben Tag in Demut. Ich war ganz sicher: Nichts wird mehr so, wie es mal war. Ich war in neue Sphären der Fortbewegung vorgestoßen. Und überhaupt: "Jetzt kann nichts mehr kommen", davon war ich überzeugt.

Vielen Dank fürs Lesen - und Special Thanks an Andi, der mir eines der aufregendsten Fahrerlebnisse meines Daseins bescherte - I owe you!

Ciao, Euer Mosiris 
 
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